Bäcker Wiedemann

Ich hab überhaupt nichts gegen Kettenbäcker Wiedemann, obwohl einige seiner Produkte derart hochpreisig (1,99 für ’n recht kleines Salami-Brötchen, hauahauaha, auch wenn ein Herz drauf ist) sind, dass ich schon mal von “Brotjuwelier Wiedemann” spreche. Aber ein paar Sachen schmecken richtig gut, diese Vollkornbrötchen mit dem dämlichen Namen, den ich mir nicht merken kann, und dieses große Weißbrot, wenn das noch warm ist, dann muss ich immer zwei kaufen, weil das erste den Heimweg nicht überlebt. Nee, Wiedemann ist schon okay.
Außer zur Karnevalszeit. Dann werden die Filialen mit lustigen Luftschlangen zwangsdekoriert, und jedes Jahr lässt man sich ein neues, wahnsinnig komisches Motto einfallen, nachdem sich die Angestellten kostümieren müssen. Am Breslauer Platz heißt das dieses Jahr “Hier hausen die Panzerknacker” (Köstlich! Zum Brüllen!) und die freundlichen Verkäuferin tragen Sträflingsklamotten (Bruhahahahahaha! Ich schmeiß mich weg!), während sie einem verlegen lächelnd die Backwaren über den Tresen reichen.
Vier Sterne für Weißbrot und Dingensbrötchen. Zwei Sterne Abzug wegen preislicher Aussetzer und überflüssigem, dämlichen Ranmeiern an die rheinischen Bataillone. Vielleicht bin ich ab Aschermittwoch gnädig und erhöhe auf drei.
Update: Wg. Karnevalsende ein Stern dazu.

Bäcker Wiedemann
Lauterstr. 16
12159 Berlin
030 8511005

www.baecker-wiedemann.de/

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Stadtklause

Ge-ni-a-le Kneipe! Die holzvertäfelten Wände mit den zahllosen Fotos rund um die Geschichte des nahen Anhalter Bahnhofs sorgen für eine einmalige Atmosphäre. Hier hockt man gerne stundenlang, auch wenn die ein oder andere Sitzgelegenheit dem alternden Rückgrat nicht gerade komfortabel vorkommt… macht nix! Hier schmeckt das Bier, das schön kalt in großen und kleinen Steinkrügen an den Tisch kommt, hier schmeckt die deftige Hausmannskost, die zu Dumpingpreisen serviert wird. Ich hatte ausgezeichnete “Berliner Topfwurst” (eine Art stückige Blutwurst) mit Bratkartoffeln und (für meinen Geschmack zu süßem) Sauerkraut für 6,50, die geduldigste, beste Gemahlin stärkte sich mit einem kleinen Möhreneintopf für preisrekordverdächtige 2,50 Euro. Da kann man nicht meckern, selbst wenn man will. Und im Keller wartet auf den neugierigen Besucher eine veritable Überraschung: da gibt’s in zwei Räumen eine liebevoll und kenntnisreich zusammengestellte Ausstellung zur Geschichte des Anhalter Bahnhofs.
Man wird uns in Zukunft öfters hier finden, toller Laden!

Stadtklause
Bernburger Str. 30
10963 Berlin
030 51056381

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Alfredo Pasta Bar

Wer Nudeln mag, ist bei Alfredo goldrichtig, wer keine mag, sollte einen Riesenbogen um dieses Lokal machen. Die Alfredo Pasta Bar serviert kompromißlos fast ausschließlich Nudelgerichte. Gelegentlich verirrt sich mal der ein oder andere Salat auf die außen am Lokal hängende Schiefertafel, und Stammgäste wollen schon einmal ein getrüffeltes Kartoffelpüree gesichtet haben, aber das sind Ausnahmen. Zu Alfredo geht man, um die frischen, hausgemachten Nudeln zu genießen, Punkt. Oder sucht irgendwer ein Steakhaus auf und fragt dann nach den Tofu-Spezialitäten?
Kurz und knapp: die Nudeln sind so gut, dass man verzückt die Augen verdreht. Was auch daran liegt, dass die Atmosphäre stimmt: karierte Tischdecken, lange Kellnerschürzen, Italo-Pop säuselt aus dem Lautsprecher, hier kann man’s wirklich aushalten, besonders natürlich im schattigen Vorgarten, der schon ein Highlight des Hornstraßen-Kiezes als hier noch der “Multi-Grill” Protein-Bomben servierte.
Anspieltipp: Die Farfalle mit Ricotta, Walnüssen und Radiccio sind sündhaft lecker.
Zu meckern gibts nichts bis wenig: der Service könnte gelegentlich um ein bißchen weniger Distanz bemüht sein, und man sollte endlich mit diesem Unfug aufhören, Wein in 0,1l-Fingerhüten zu servieren. Dann ist der Wein alle, bevor ich ihn ausgetrunken habe, und das gefällt mir gar nicht. Ansonsten alle Daumen hoch für Alfredo!
Update Februar 2009: Es gibt jetzt auch recht preiswerte, mehr als ordentliche Pizza.

Alfredo Pasta Bar
Großbeerenstr. 27a
10965 Berlin
030 23635494

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The Different Scent

Die Herrschaften mit der Douglas Card, bitte weitergehen… Nein, für Sie gibt es hier nichts zu riechen. Dies ist kein Ort für austauschbare Designer-Düfte wie die vierundfuffzichste Kreation von HugoLagerbossikoff, hier ist das Walhalla für Menschen mit sensibilisiertem Riechkolben, das Shangri La für Duftsnobs, der Ort, wo Menschen, die alles zu kennen glauben, noch überrascht werden.
Hier kann man sich Eau de Colognes erwerben, die nach Melonen riechen, die auf einer frischen Wiese liegen, aber auch solche mit dem Geruch von Pilzen auf feuchtem Waldboden, die Produkte der “berüchtigten” englischen Hoflieferanten wie Trumper, Taylor, Truefitt & Hill sind allesamt vorrätig, und wenn man den Inhaber mit dem blasierten Verweis auf eine auf einem südtiroler Berggipfel befindliche Parfüm-Manufaktur aus der Spur zu bringen versucht, dann produziert er das Komplettsortiment derselben, ohne mit der Wimper zu zucken.
Neben den besonderen und ausgefallenen Düften ist das Zubehör für die stilvolle Nassrasur das zweite Standbein dieses Geschäfts. Wer sich morgens Dosenschaum ins Gesicht schmiert und die Stoppeln schmerzfrei mit irgendeinem Plastikdings von Giwilkilette runterbekommt, wunderbar, der kann sich den Weg in die Krausnickstraße sparen. Wer sich jedoch für hochwertige Rasierpinsel, klassische Sicherheitsrasierer und rasurbereit geschärfte Rasiermesser nebst Zubehör interessiert, der kann hier in einer riesengroßen Auswahl schwelgen.
Das, was es hier gibt, ist nicht alltäglich. Wie schön!

The Different Scent
Krausnickstraße 12
10115 Berlin
030 35122925

www.thedifferentscent.de

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Diener

Ach ja, der Diener. Den such ich heutzutage eher selten auf. Weil mich dieses Lokal durch seine bloße Existenz daran erinnert, wie alt ich mittlerweile bin. Und daran erinnert mich der Diener unweigerlich, weil ich die ersten Male, als ich den Laden frequentierte, noch am Tisch von Bob Biberti (Comedian Harmonists) sitzen durfte. Tja, ist schon eine ganze Weile her. War eine andere Zeit. Damals betrieb man als Theaterschaffender das Kampftrinken noch als schönes Hobby, und der Diener war die Arena, wo man die Sportskameraden traf, um sich im fairen Wettstreit zu messen. An gelungenen Abenden herrschte in dem Laden eine absolut geniale Stimmung, an den weniger gelungenen Abenden konnte einem das gleiche Lokal mit den gleichen Gästen ungeheuer auf den Zeiger gehen.
Genauso war’s mit der Super-Tunte, die hier gekellnert hat. An einem Abend waren die Sprüche zum Tränenlachen (“Sag mal, die Bulette schmeckt so komisch, als ob das Pökelfleisch wäre…” – “Wat? Fleisch? In unsere Buletten??!”), am nächsten Abend hat er einen so genervt, dass man sich regelrecht überwinden musste, etwas neues zu bestellen. Aber was soll’s, frisches Bier musste auf den Tisch, also hat man sich zusammen gerissen.
So war das damals im Diener, und mancher Kollegen hat sich im Morgengrauen direkt von der Grolmanstraße zum Drehort fahren lassen.
Heute ist so etwas undenkbar. Heute sind wir alle vernünftiger geworden. Ruhiger. Gesitteter.
Schade.

Diener
Grolmanstr. 47, S Bahn Savignyplatz
10623 Berlin
030 8815329

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Mommsen-Eck

Hier im Mommsen-Eck sind sie stolz auf ihre gepflegten Biere. Und das mit recht. Wir waren zu sechst da, ließen uns unter anderem Jever, KöPi und Pilsner Urquell zapfen und waren absolut zufrieden: so muss Bier vom Fass aussehen und schmecken, 5 Sterne!
Wenn man Berliner Deftigkeiten mag, ist die Küche absolut okay. Ich hatte zwei Buletten mit Sauerkraut und Bratkartoffeln, okay, die Buletten waren etwas zu fest und trocken, die Bratkartoffeln hätten etwas brauner sein können, aber dafür war das Sauerkraut sen-sa-ti-onell. Voll des Lobes war man an unserem Tisch auch über das Eisbein (wirklich supersaftig und lecker, ich durfte kosten) und die gebratene Ente mit Rotkohl und Klößen, die Portionen waren allesamt majestätisch, dafür gibt’s 4 Hausmannskost-Sterne.
Auch über die Einrichtung kann man nicht meckern. Liebevoll auf Alt-Berlin getrimmt, mit zahlreichen kleinen, originellen Details (herrlich die ollen Pinup-Zeichnungen auf dem Herrenklo!), wer Messinglatüchten und dunkelgebeiztes Holz mag, fühlt sich hier wohl, ebenfalls 4 Sterne.
Und warum steht dann da oben nur einer? Ganz einfach: Bevor wir Platz nehmen konnten, insistierte die Bedienung darauf, einen von den beiden aneinander gestellten Tischen zu entfernen: “Da könnten ja acht Leute dran sitzen und nicht nur sechs. Und heute ist Freitag, da wird es immer voll.” Dezente Hinweise auf ein Mitglied unserer Runde, dass nach einer Knie-OP etwas Platz zum Beine strecken benötigte, fruchteten nix: “Freitags brauchen wir jeden Tisch, das müssen Sie verstehen.”
Nö. Ich muss nicht verstehen, warum man Gäste verprellt. Ich gönn jedem Gastwirt seinen Umsatz, aber derartiges ungehobeltes Benehmen gegenüber Gästen ist nur dämlich und kleinkariert. Der abgerückte Tisch blieb übrigens während der ganzen Zeit, die wir im Mommsen-Eck waren, leer.
So haben wir dort bei gepflegten Getränken und gutem Essen zwar einen angenehmen Abend verbracht, aber wiederkommen oder empfehlen werde ich diesen Laden in der nächsten Zeit natürlich nicht.

Mommsen-Eck
Wilmersdorfer Str.
10629
Berlin
030 3242580

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Räucherkahn

Jedesmal, wenn wir Waren an der Müritz besuchen, kommt es zu einer kulinarischen Sensation. Unser erster Gang führt uns nämlich grundsätzlich zum Räucherkahn. Dort werden beide Hände befüllt, die linke mit einem großen Pils, die rechte mit einem Backfischbrötchen, dann nehmen wir Platz, schauen aufs Wasser und es folgt die “Warener Links-Rechts-Kombination”: Ein Biss ins Backfischbrötchen, ein Schluck Bier. Ein Biss ins Backfischbrötchen, ein Schluck Bier. Bis Bier und Backfischbrötchen alle sind.
Nun fragt sich der mitlesende Qyper vielleicht, was denn daran kulinarisch so sensationell sein soll. Backfisch und Bier, das schmeckt vielen Leuten…
Eben. Aber mir nicht. Ich hasse Backfischbrötchen. In 99 von hundert Fällen sind sie vollkommen daneben, bestehen aus einer panzerstahlharten Kruste hinter der sich trockenfaserig zusammengepresste Fischabfälle undefinierbarer Herkunft verbergen, meistens auch noch ungesalzen, mit ekelhafter Industrie-Remoulade getränkt, in einem laffen, blassen Brötchen versteckt… bääääh…
Nicht hier. In der Räucherkate serviert man die Mutter aller Backfischbrötchen, keine Fertigware aus der Tiefkühltruhe, hier wird das Fischfilet von Hand paniert, auf den Punkt ausgebacken, mit knackigen Salatblätter und würziger Remoulade ins Brötchen gepackt… das reine Manna, das ich nirgendwo sonst in dieser Qualität gefunden habe.
Auch der letzte Gang in Waren an der Müritz führt uns zum Räucherkahn. Dann werden aber nicht nur Abschieds-Backfischbrötchen und Abschieds-Bier genossen, dann lassen wir uns noch ordentlich vom frischen Räucherfisch einpacken, von der Forelle über den Müritzaal bis zum Stremellachs (!), das reine, preiswerte Vergnügen.
Und bevor jemand fragt: Natürlich schauen wir auch während des Waren-Aufenthalts hin und wieder hier vorbei. Die anständigen Bratkartoffeln, die gebratenen Maränen und Barsche… das kann man doch niemand anders essen lassen!

Räucherkahn
Strandstr./Steinmole
17192 Waren

03991 664695

www.raeucherkahn.de

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modulor

Ich kann nicht basteln. Ich bin eine komplette Null, was handwerkliches Geschick anbelangt, oder, wie mein Bruder es einmal bildlich ausdrückte: “Der hat zwei linke Hände mit zehn linken Daumen dran.”
Wenn man mich in jungen Jahren mit ein paar Bögen Pappe, einer Schere, einer Uhu-Tube und den nett gemeinten Worten “Nun bastel mal was Schönes.” allein ließ, war nach 5 Minuten die Uhu-Tube leer, die Schere ruiniert und über das, was aus der Pappe geworden war, decken wir mal den Mantel des Schweigens.
Auch im Kunst- und Werkunterricht an der Schule hielt ich mich gern bedeckt. Die Bilder, die ich malte, waren eher abstrakt, den von mir getöpferten Gegenständen verwehrte die Lehrkraft den Weg in den Brennofen (“Die krummen Dinger platzen sowieso!”) und wenn ich im Werkunterricht einen schmucken Beistelltisch bauen wollte, hatte der Lehrer angst, dass ich die kostbaren Werkzeuge ruinieren könnte.
Es gibt Leute, die sind handwerklich nicht begabt, es gibt Leute, die total ungeschickt sind, und dann gibt es noch mich. Macht mir gar nichts aus. Ich muss so Zeugs nicht bauen können, ich bin ziemlich gut ohne diese Fähigkeiten ausgekommen.
Nur wenn ich bei modulor mal was holen muss und staunend vor dem ganzen tollen Zeugs steh, aus dem man ja die dollsten Sachen machen könnte… dann tut’s mir manchmal tatsächlich ein bißchen leid, das ich nicht basteln kann.

modulor
Gneisenaustraße 43
10961 Berlin
030 690360

www.modulor.de/


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Baghira

Das Baghira gehört zu einer – leider – aussterbenden Species: der angenehmen Kreuzberger Kneipe. In die angenehme Kreuzberger Kneipe schaut man gelegentlich (gelegentlich auch öfters) rein, begrüßt den Wirt und die anderen Stammgäste, nimmt zwischen ihnen auf seinem Stammplatz Platz, bestellt das, was man immer bestellt und freut sich, auf der Welt und in einer angenehmen Kreuzberger Kneipe sein zu dürfen.
Das Getränke- und Speisenangebot der angenehmen Kreuzberger Kneipe ist angenehm unaufgeregt. Die Stammgäste gebieten meist über einen einfachen. aber erlesenen Geschmack, und der wird bedient. Im Baghira zum Beispiel gibt es u.a. Flens und König Ludwig Dunkel vom Hahn, ein paar angenehme offene Weine und auf der Karte finden sich Schnitzel, gebackener Camembert, Buletten (selbstgemacht, mit Rosenkohl und Bratkartoffel). Die Portionen sind so groß, dass man sie nur mit Mühe schafft, aber die Mühe macht man sich gern, denn es schmeckt. Weil es handwerklich solide gekocht ist. Der Salat kommt nicht aus der Convenience-Tüte, das Dressing ist selbstgerührt, das Schnitzel groß und von Hand in unregelmäßige Form geklopft. Kneipen-Essen eben. Sehr angenehm.
Leider scheint es immer weniger Publikum für eine solche Form der Gastronomie zu geben. Auch im Baghira waren gestern mehr freie Stühle als Gäste. Schade. Am Angebot und an der Freundlichkeit des Wirts kann es nicht liegen.

Baghira
Monumentenstr. 29
10965 Berlin
030 54734532

www.baghira-kreuzberg.de/

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WAU

Das WAU ist eins der sympathischsten Gasthäuser Kreuzberg, was zu je einem Drittel dem Getränkeangebot, der freundlichen Bedienung und der SPD geschuldet ist.
Die SPD Kreuzberg-Friedrichshain hatte uns nämlich ins WAU eingeladen, weil sich uns dort ihr Direktkandidat für die Bundestagswahl 2009, Björn Böhning vorstellen wollte. Um 21 Uhr sollten wir uns bitteschön im WAU einfinden, für den Rest würden die SPD und besagter Böhning sorgen.
Pünktlich um 21 Uhr trafen wir ein, betraten eine überraschend leere Kneipe und nahmen an einem leeren Tisch Platz. Eine freundliche Service-Kraft näherte sich uns, um mit düsterer Miene etwas von einer „geschlossenen Gesellschaft“ zu murmeln. Als wir mitteilten, dass die SPD uns eingeladen hätte, hellte sich die Miene der Service-Kraft auf, die uns erfreut mitteilte, dass wir „Urquell, Ayinger und Riesling“ auf Kosten der SPD ordern könnten. Das ließen wir uns nicht zweimal sagen, orderten ein Potpourri des genannten und harrten der Dinge, die da kommen sollten. Zunächst einmal kamen die Getränke, etwas später dann noch ein paar verwirrte Gäste und gegen 21 Uhr 30 fanden sich dann auch zwei Jusos ein, die erstmal vor dem Herrenklo weltmännisch ein paar Zigaretten wegrauchten und anschließend aufgeregt an einer Mikrofonanlage herum schraubten.
Um kurz vor zehn hatte die Bedienung begonnen, uns unaufgefordert Nachschub zu bringen (der Riesling war wirklich ganz ausgezeichnet), von der SPD (die Jusos hatten wieder Rauchposten vor dem Lokus bezogen) hatte sich immer noch niemand blicken lassen, und ich hatte gerade meinen iPod hervorgekramt, um endlich die ungehörten Podcasts der letzten Wochen abzuhören. Da traf überraschenderweise Sascha Lobo ein. Ich winkte ihm leutselig zu, Lobo grüßte verwirrt zurück (wir kennen uns nicht), ließ sich ein Ayinger bringen und wurde umgehend von ein paar Getreuen umringt. So verging der weitere Abend wie im Fluge: ich hörte mir Quatsch auf dem iPod an, Lobo schmiedete zwei Tische weiter hochfliegende Pläne und erzählte seinen Fans IT-Schnurren, die geduldigste Gemahlin von allen löste Sudokus im Minutentakt und die konditionsstarke Bedienung des WAU sorgte für reichlichen Getränkenachschub.
Irgendwann gegen elf fiel mir auf, dass die Kreuzberger SPD sich immer noch in lastendes Schweigen hüllte. Keine Begrüßung der mittlerweile doch ziemlich zahlreich vor sich hinbechernden Gäste, keine Erklärung für Böhnings Verspätung, keine Ankündigung, wann er denn endlich eintreffen und uns mit wohlgesetzten Worten für die Sache der Sozialdemokratie einnehmen würde. Ich entschloss mich zu einer Expedition in die Nebelbänke vor dem Herrenklo, wo ich mich mit bereits leicht unsicherer Zunge nach dem Verbleib des Spitzenkandidaten erkundigte. Worte wie „Vorstandssitzung“, „Strategiegespräch“ und „so bald wie möglich“ drangen an mein Ohr, ich zog mich voll der Bewunderung zurück und erreichte unseren Tisch, wo frischer Riesling auf mich wartete. „Prost“, sagte ich, und die geduldigste Gemahlin konterte mit „Kommt er denn irgendwann?“ „Irgendwann bestimmt“, erwiderte ich wolkig, und die geduldigste Gemahlin schloss messerscharf: „Bevor der kommt, sind wir betrunken.“ „Das bin ich jetzt schon!“ gestand ich freimütig, und so entschlossen wir uns zum Aufbruch.
Flehendes Bitten der Bedienung, doch noch „auf ein letztes Gläschen“ zu bleiben, wiesen wir zurück, stattdessen winkte ich abschlingernd dem immer noch dampfplaudernden Lobo zu, der mit der Telefonhörer-Geste andeutete, mit mir telefonieren zu wollen (bis heute nicht geschehen, wir kennen uns und unsere Telefonnummern ja nicht), dann umfing uns die kalte Nachtluft und wir machten uns auf den Nachhauseweg, begeistert vom Getränkeangebot des WAU und der gewandten Freundlichkeit seiner Bedienung, begeistert aber auch von Björn Böhning und der SPD Kreuzberg-Friedrichshain, die durch ihre vornehme Zurückhaltung viel zum Gelingen dieses Abends beigetragen haben.

WAU
Hallesches Ufer 32
10963 Berlin
030 2593279

www.wirtshaus-am-ufer.de

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