Seit vielen Jahren treibt mich eine Frage um: Welches ist eigentlich das angenehmste Restaurant in Berlin und Umgebung? Wobei mein Kriterium „angenehm“ auch für ambitionierte Gastronomen zur Herausforderung werden kann. Gute (gern auch herausragende) Küche allein genügt nicht. Um mich wohlzufühlen, brauch ich auch ein entsprechendes Ambiente. Ich möchte weder in der weihevollen Stille eines Gourmet-Tempels hocken (Ich bin kein Kirchgänger), noch möchte ich aufdringliche Wohnzimmergemütlichkeit (da hätte ich ja gleich zuhause bleiben können). Ein bisserl fein darf’s schon sein, aber nicht so fein, dass man nicht entspannen kann. Lässige Eleganz, das ist die Richtung, die ich bevorzuge. Und ebenfalls sehr wichtig, wenn nicht gar spielentscheidend für „angenehm“: der Service. Ich bevorzuge gut gelaunte Menschen, die ihren schwierigen Job (mich bei Laune zu halten) mit einer gehörigen Portion Ironie ausüben, den ganzen Gourmet-Kram also nicht zu Ernst nehmen, mich aber trotzdem diskret spüren lassen, dass ein Restaurant-Besuch immer etwas Besonderes ist. Schwieriger Balanceakt.
Im Bereich Ambiente konnte die Villa Kellermann gleich mal heftig punkten. Nachdem man ein Stückchen durch ein selbst für Potsdamer Verhältnisse ziemlich edles Villenviertel spaziert ist, kommt man dann auch entsprechend zu Stuhle. Hier ist’s fein, aber deutlich unterhalb der Vornehmheitsgrenze. Ich hab mich sofort wohlgefühlt, obwohl ich gelegentlich auf Spuren innenarchitektonischen Wollens (hier deutlich spürbar) durchaus allergisch reagiere.
Der Service wählte den direkten Weg zu meinem Herzen: sofortiges Aperitif-Angebot, das wir natürlich gern annahmen. Man will ja trocken trinken, aber die Speisekarte nicht trocken lesen. Wobei die Lektüre eigentlich überflüssig war: Wir hatten uns schon im Vorfeld darauf geeinigt, den „gedeckten Tisch“ zu nehmen: eine Vorspeisenauswahl, gefolgt von einem täglich wechselnden Hauptgang (bei uns: gebratene Blutwurst – natürlich vom Benser – mit sahnigem Topinamburpüree und Zweierlei vom Apfel) plus Dessert. Beim offenen Wein verließen wir uns auf die Vorschläge der jungen Dame aus dem Service, die sofort gemerkt hatte, dass sie zwei engagierte Spaßfresser am Tisch hatte und uns bestens bediente und unterhielt. Bemerkenswert war übrigens die Mannschaftsstärke, in der der Service bei unserem Besuch unterwegs war. Der typische gehobene Berliner Gastronom hätte maximal ein Fünftel der Manpower aufgeboten. Dementsprechend fix wurden die Bestellungen bearbeitet, nachbestellte Getränke waren buchstäblich in Minutenschnelle am Tisch.
Auch auf die Vorspeisenauswahl mussten wir nicht lange warten. Wir hatten den Aperitif noch nicht ausgetrunken, da wurde unser Tisch schon mit Lebensmitteln vollgepackt. Alle fünf (kalten) Vorspeisen wurden gleichzeitig serviert. Sofort nahm meine Gier überhand, und so hab ich nur das Roastbeef mit Remoulade und knusprigen Kartoffelscheiben fotografiert, das ich mir als erstes einverleibte. Bei jedem Tellerwechsel die Kamera zu zücken, war mir dann doch zu lästig. Und außerdem war das Essen dafür zu gut. Das war letztlich Hausmannskost mit kleinen kreativen Schlenkern, erfreulich unaufgeregt auf die Teller gebracht, aber in sehr, sehr hoher Qualität. Highlight war – typisch für den ganzen Abend – der scheinbar simple Tomatensalat, der mir aber beim ersten Bissen ein „Oha!“ entlockte. Geschmacksbombe, was an den superaromatischen Tomaten aus der Region („von Bauer Uwe“ klärte uns die Servicekraft auf), dem hochinteressanten Kontrast durch Wassermelonenscheibchen und der Umami-starken Mozzarella-Creme lag. Zu den Vorspeisen tranken wir den Hausriesling, zum Hauptgang einen Rosé von einer Rosamunde Pichler oder so ähnlich, beides ausgezeichnete Weine, die das Tellergeschehen angenehm begleiteten.
Rotwein ließ ich weg, der Schwerpunkt bei den offenen Rotweinen lag überraschenderweise bei mir unbekannten Gewächsen aus Deutschland. Nach Abenteuerlust war mir an diesem Abend nicht. Das Risiko eines Reinfalls war zu groß. Warum hätte ich mir denn einen Abend im angenehmsten Restaurant von Berlin und Umgebung verderben sollen?
Villa Kellermann
Mangerstr. 34
14467 Potsdam
0331 20046540
https://villakellermann.de/de/