Marjellchen

Ich geh allein deshalb schon gerne ins Marjellchen, weil ich hier meinen Namen nicht buchstabieren muss, wenn ich telefonisch einen Tisch bestelle. Denn das Marjellchen ist ein authentisches ostpreußisches Restaurant, und da kennt man die authentisch ostpreußischen Namen. Einmal im Lokal angekommen wird natürlich zur Einstimmung ein „Pillkaller“ bestellt, das ist ein klarer Schnaps, auf dem eine Scheibe Leberwurst mit einem Klacks Senf thront. Diese authentische Spezialität aus der Stadt Pillkallen („Es trinkt der Mensch, es säuft das Pferd, in Pillkallen ist es umgekehrt!“) stimmt einen trefflich auf die rustikalen Deftigkeiten ein, aus denen man sich seine Mahlzeit hier zusammenstellen kann. Die Vorspeisen sind von der Menge her echte Hauptgerichte, deshalb beschränke ich mich vorneweg auf eine Suppe, meistens Fleck (Kutteln) oder den aromatischen Betenbarsch, eine Borschtsch-Variante. Die Hauptgerichte! „Falscher Gänsebraten“, Spickaal, Königsberger Klops (natürlich aus Kalbfleisch!), Schweinebauch mit Backpflaumen… Das ist deftig, das ist keine Magerküche, da deckt ein Teller schon mal den Tageskalorienbedarf einer fünfköpgigen Familie, aber es schmeckt! Das einzige Problem, dass man bei diesen Gerichten hat, ist die Frage, wie man im Magen noch Platz für den Dessert-Teller „Marjellchen“ (nur zu zweit zu bewältigen!) lassen kann, der wegen der unvergleichlichen Mohnpielen ein absolutes Muss bei jedem Besuch ist. Das Marjellchen ist eine Berliner Institution. Und das vollkommen zurecht.

Update August 2021:
Im Marjellchen hat es einen Betreiberwechsel gegeben. Frau Azzarro, die bisherige Wirtin, ist in den Ruhestand gegangen, neue Betreiber haben das Marjellchen übernommen, den Laden behutsam, die Speisekarte weniger behutsam renoviert. Bis auf Königsberger Klopse, Stremellachs und Mohnpielen sind fast alle ostpreußischen Gerichte (z.B. die Flecksuppe, der Spick-Aal, der Schmandschinken, der „falsche Gänsebraten“) von der Karte verschwunden. Das ist sehr schade, auch wenn nach wie vor ausgezeichnet gekocht und der Service zuvorkommend und humorvoll ist.

Ich hab die halbe Landente bestellt, die ganz ausgezeichnet war. Langsam butterweich geschmort, schön aufgeknuspert, gute Sauce, toller Rotkohl, selbstgekloppelte Klöße… alles bestens. Aber, eben, das Ostpreußische, das ich sehr geschätzt habe, ist erstmal weg. Vielleicht kommt’s ja wieder. Ich bin zwiegespalten.

Update März 23: Die Küche ist wieder in der Spur, der größte Teil der alten Klassiker steht wieder auf der Karte.

Marjellchen
Mommsenstraße 9
10629 Berlin
030 8832676

https://www.restaurant-marjellchen-berlin.de/

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