Die Dankbarkeit ist (nicht nur) mein Lieblings-Gasthaus. Vielleicht liegt’s an der langen Vorfreude, die einem Besuch der Dankbarkeit vorausgeht. Denn die Dankbarkeit liegt in Podersdorf am Neusiedlersee, wo die geduldigste Gemahlin von allen und ich einmal im Jahr Urlaub machen. Und da kann die Vorfreude auf den nächsten Dankbarkeitsbesuch schon einmal 50 Wochen dauern. Aber irgendwann stehen wir dann doch wieder vor der Eingangstür.
Da bleiben wir jedoch nicht lange stehen, sondern grüßen freundlich in den Schankraum mit dem Tresen hinein, wo die Podersdorfer sitzen, lassen bei schönem Wetter die Stube rechts liegen und eilen durch den langen Gang in den wunderbaren, einmaligen, schattigen Gastgarten. Da kommt auch schon der Wirt, Herr Lentsch, mit seinen charakteristisch kurzen, eiligen Schritten auf uns zu, begrüßt uns, als wären wir eine Woche und nicht ein Jahr lang weg gewesen, bringt uns an unseren Tisch und teilt die Karten aus. Dann sitzen wir erst einmal einen Moment da, atmen durch und schauen uns fröhlich in die Augen: „Was geht’s uns gut!“
Wieso geht’s uns in der Dankbarkeit so gut? Wieso geht’s uns in der Dankbarkeit besser als anderswo? Liegts an der verfeinerten burgenländischen Küche mit der jiddischen Hühnerleberpastete, der Paprika-Fischsuppe, dem „Gekochten vom grauen Steppenrind“, den Spezialitäten vom Mangalitzaschwein und den sündhaften Somloer Nockerln? Ist es die umfangreiche Weinkarte, auf der der Fan pannonischer Weinkultur nichts vermissen kann? Ist es der von Jahr zu Jahr immer besser werdende Hauswein, den Herr Lentsch für selbstmörderische 12 bis 15 Euro pro Flasche im Restaurant anbietet?
Natürlich tragen all diese Dinge wesentlich zu unserem Wohlbefinden bei, aber der eigentliche Faktor, warum es uns beim Lentsch so gut geht, ist der Lentsch selber. Es ist einfach die reine Freude, bei diesem Urbild eines Wirts, diesem besessenen Gastronom aus Leidenschaft Gast sein zu dürfen. Mitzuerleben, wie dieser Mann auflebt, wenn es seinen Gästen schmeckt und sie sich wohl fühlen, ist schon die halbe Miete in der Dankbarkeit.
Die wahre Qualität eines Wirts erweist sich aber, wenn ein Gast sich daneben benimmt. Wie wird er reagieren, wie wird er diese heikle Situation meistern? In diesem Sommer war ausgerechnet ich es, der Herrn Lentsch in dieser Hinsicht auf die Probe stellte. Ich hatte mein Handy, das eh schon tagelang nicht geklingelt hatte, nicht ausgeschaltet. Wer sollte mich denn schon im Urlaub am Montag abend anrufen? Und dann kam es, wie es kommen musste: Gerade als Herr Lentsch uns den Wein an den Tisch brachte, klingelte mein Handy. Und mein Handy klingelt nicht einfach, es spielt die entscheidenden Minuten des WM-Finales 1954 ab. „Aus dem Hintergrund müßte Rahn schießen… Rahn schießt… Tor! Tor! Tor!“ donnerte Herbert Zimmermann durch den eben noch beschaulichen Gastgarten, während ich mit fliegenden Fingern versuchte, den Störenfried auszuschalten. Herr Lentsch zuckte mit keiner Wimper, entkorkte den Wein und sagte, während er mir den Probierschluck einschenkte, verschwörerisch zwinkernd: „I wer’ narrisch!“
Da ging’s uns wieder gut!
Auch einer meiner Hot Spots. Wobei normalerweise doch eh immer Kinder im Garten Fußball spielen, dann wär’s doch gar nicht aufgefallen. Unvergessen war für mich folgendes Erlebnis: ich wollte einen Süßwein, war unschlüssig, Josef Lentsch verschwand, um bald mit 3 gefüllten Gläsern flüssigen Golds zurückzukommen.
sehr schön, auch die idee, den beitrag bei qype anzuschreiben und ihn dann hier ausklinge[l]n lassen.
den hauswein kauft herr lentsch vermutlich für 1,50 die flasche bei seinem schwager [zb], 1000% drauf und er verdient auch was dabei..
Nee, den Hauswein macht er schon selber. Da isser (mit Recht) tierisch stolz drauf.
dann ist es eine frage der ehre und der preis eine geste an seine gäste – guter wirt!
Als Feinschmecker- und Weinliebhaberin verschlug es uns schon öfters in diese Gegend. Das Gasthaus wurde zuletzt im Juni 2008 frequentiert bei super Wetter im Gastgarten. Essen und Wein sehr lecker. Von Jentsch haben wir auch GV mitgenommen und zuhause in Erinnerungen geschwelgt.
Lustiger Name. Werd ich gleich aufnehmen in meine Suchmaschine..
Vielleicht bringen die Herrschaften dieses Jahr das Rezept für die „jiddische Hühnerleber“ mit? Bei der Kaltmamsell habe ich gelesen, dass Herr Jentsch auf freundliches Bitten das Rezept herausrückt. Und Sie als Stammgäste…
Huch! Ich wusste gar nicht, dass Bedarf an dem Rezept besteht, das hab ich längst, das steht in „Die pannonische Küche“ (nur noch antiquarisch) von Christian Seiler und Klaus Klamolz, der Lentsch hat die Rezepte zu diesem Buch beigesteuert.
250g Hühnerleber, 2 Zwiebel, 150g Schweine- oder Gänseschmalz (oder gemischt), 2 Knoblauchzehen, Majoran, Salz, Pfeffer.
Zwiebel in feine Ringe schneiden und im Schmalz dünsten, ohne dass sie Farbe nehmen. Die geputzte Leber dazugeben und alles bei kleiner Flamme schmoren, bis die Leber durch ist.
Das ganze im Mixer oder Cutter fein pürieren. Danach mit Salz, Pfeffer, Knoblauch und Majoran würzen und nochmals kurz erhitzen.
Die heiße Leber in kleine Portionsformen (Porzellan, Glas) füllen und erklaten lassen. Zum Schluss die Pastete mit flüssigem Schmalz ungefähr drei Millimeter hoch bedecken und luftdicht verschließen.
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