Wer wissen will, wie gepflegtes Sonntagsessen geht, der muss nur nach Jüterbog fahren. Nein, jetzt nicht abwinken und „Um Himmelswillen, Jüterbog! Das ist ja am Ende der Welt! „rufen. Ist es nämlich nicht). Von Berlin sind’Äs mit dem Zug schlappe 40 Minuten,und die Zugfahrt kostet – auch ohne Bahncard – soviel wie die Rückfahrt mit dem Taxi aus Friedrichshain, man gönnt sich ja sonst nichts.
Und Jüterbog hat etwas, das Friedrichshain, quatsch, das ganz Berlin und Brandenbrg nicht hat: Ein Restaurant, dass es nach nur zwei Besuchen in die Top 5 meiner persönlichen Lieblingsrestaurants geschafft hat, in die lichten Höhen, wo Dankbarkeit und Laubenhöhe thronen.
Wie haben Sie das hingekriegt? Ganz einfach: Sie kochen, sehr, sehr gut und sie servieren das Essen in einer lockeren, gelassenen Atmosphäre, die zu den Speisen und Getränken passt. Man sitzt auf sehr bequemen Stühlen in einem mit dunklen Tapeten, Gemälden und Autogrammpostkarten aus der frühen Tonfilmzeit konsequent auf „versunkene Bürgerlichkeit“ eingerichteten Gastraum, liest eine Karte mit regionalen Gerichten und Produkten und freut sich beim Bestellen des Aperitifs, das hier u,a. das ausgezeichnete „Urhell“ aus Meißen aus dem Hahn läuft, und dass der Aperol spritzt nur halb so viel kostet wie in Friedrichshain. Wenn wir zwei davon trinken, haben wir die Bahnfahrt schon wieder raus.
Dann wird zu Essen bestellt, zuerst die Vorspeisen. Beim ersten Besuch gab’s ein sahnig abgeschmecktes, feinsäuerliches Senfsüppchen mit crosser Speckscheibe, beim zweiten Mal ein hinreißend sanftes, aromatisches Steinpilzküchlein. Das ließ für die Hauptgänge Großes hoffen, und die Hoffnungen wurden nicht enttäuscht.
Beim Hauptgang schlug bei beiden bisherigen Besuchen die Stunde der regionalen Produzenten, die das Restaurant beliefern,und hier ist an erster Stelle der Büffelhof „Bobalis“ zu nennen, der die trefflichen Tiere quasi um die Ecke züchtet. Büffel kannte ich kulinarisch nur als Mozzarella-Produzenten, aber seit ich hier eingekehrt bin, weiß ich: Büffel machen nicht nur guten Käse, sie geben auch das bessere Rindfleisch her.
Beim Erstbesuch während der Spargelsaison aß ich den Spargel mit Hollandaise und zarter, aromatischer Büffelzunge, beim Zweitbesuch gab’s eine ganz fantastische Roulade vom Büffel mit Rosenkohl und Kartoffelgratin.
Die klassisch gefüllte Roulade war zart, saftig, hatte einen wunderbaren Geschmack und überhaupt keine Faserigkeit, was eine Eigenheit des Büffelfleischs ist, wie mir der Herr im Service versicherte. Guter Mann, übrigens! Berät kenntnisreich und humorig, hat Mut zur eigenen Meinung und rundet mit seiner Persönlichkeit den Hermann-Besuch zum gastrosophischen Gesamtkunstwerk ab.
„Da hätte ich drauf gewettet, dass Sie die Apfelringe zum Nachtisch bestellen“, sagte er dann folgerichtig, als er den Teller mit den mürben, feinsäuerlichen Ringen und dem sahnigen Nuss-Eis vor uns hinstellte. Dieser Nachtisch rundete unser Essen wunderbar ab, weil er genauso war wie die Gänge davor: klassisch inspiriert, handwerklich perfekt und angenehm unaufgeregt präsentiert.
Wie kann so ein toller Laden nicht zu einem Lieblings-Restaurant werden? Zumal es keine Stunde braucht, bis man da ist…
Hermanns Restaurant
im Hotel Zum Goldenen Stern
Markt 14
14913 Jüterbog
03372 401597
https://www.hermanns-restaurant.de/