Chez Gladines

 

Im Chez Gladines muss man mal gegessen haben, um an Wunder glauben zu können. An kleine Wunder, zugegeben, aber immerhin Wunder, die sich jeden Abend ereignen. Im Chez Gladines. Wenn man den Laden so gegen halb sieben, sieben betritt, gähnt einem die Leere entgegen. Verwirrt blickt man sich um. Das hier soll der Geheimtipp von Butte-aux-caille sein? Irre Preise, Super-Stimmung, jeden Abend brechend voll? Das wundert einen doch sehr.
Verwirrt nimmt man an einem der dicht an dicht stehenden kleinen Tische Platz. “Gottseidank ist heute nicht so voll. Wenn die Tische links und rechts noch besetzt wären, könnte man sich kaum noch bewegen…” Dann greift man zur Karte, schaut, stutzt, schaut noch mal: das mit den irren Preisen stimmt immerhin. Vorspeisen um die 5 Euro, Salate 8 bis 9, Hauptgerichte höchsten 11, die Flasche Wein ebenfalls um 10 Euro… Tatsächlich irre. Wenn das Essen auch noch gut ist, wäre das ein Wunder.
Und während man beim freundlichen Kellner bestellt, geht die Tür auf, so viertel nach sieben wird es jetzt sein, und ein nicht enden wollender Strom von Menschen ergießt sich ins Lokal, Minuten später ist kein Platz mehr frei, bombastische Stimmung, alles lacht, trinkt, ruft durcheinander… ge-ni-al! Ist zwar unglaublich eng, fühlt sich aber nicht so an. Wunderbar!
Und da kommt auch schon das Essen: zur Vorspeise haben wir uns einen Teller mit Chorizo für 5 Euro geteilt, der wäre in Berlin als Aufschnitt-Teller für 4 Personen durchgegangen. Dazu reichlich ausgezeichnetes Baguette, und der Pegel der Flasche Muscadet, die wir uns gegönnt haben, sinkt schon bedenklich. Für die Hauptgänge reicht’s noch, die geduldigste Gemahlin genießt ein Cassoulet von gargantuanischen Ausmaßen und lukullischer Qualität, und ich habe mir “Tripes basquaise” bestellt, Kutteln baskische Art, in einer aromatischen Brühe mit viel Paprika und leicht angebratenen Kartoffelscheiben, die sich mit der Zeit voll Brühe saugen und immer größer und lecker werden… ein Gedicht, was sag ich, ein Epos! Bei einer anderen Gelegenheit probierten wir das Hühnchen baskische Art und die gegrillte Andouillette mit Pommes Chips, beides ebenfalls die reinsten Gaumenschmeichler (wobei die Andouillette sicherlich nicht jedermanns Sache ist, diese Spezialität kann man nur mögen oder hassen).
Die meisten Gäste halten sich hier an die Salate, und das ist nicht weiter verwunderlich, denn mit dem, was hierzulande meist als Salat serviert wird (Eisbergschnipsel in Essigwasser), haben diese Salate nichts gemeint: In großen Metallschüsseln serviert, dienen einige diskret unten platzierten Salatblätter als Namensgeber und Alibi, dann folgen die mehr als üppigen Garnituren: Lebergeschnetzeltes, Grillwürste, Bratkartoffeln, Spiegeleier… genauso habe ich mir immer einen gesunden Salat vorgestellt.
Das letzte Wunder im Chez Gladines ereignet sich beim Bezahlen der Rechnung: man starrt auf den Betrag, rechnet mehrmals nach… das kann doch nicht sein. Die müssen sich vertan haben, nur knapp vierzig Euro für so eine ungeheure Völlerei… sie haben sich nicht vertan. Es ist hier unglaublich gut und unglaublich preiswert. Seit Jahren. Wie gesagt, ein kleines Wunder. Nein, ein großes.

Chez Gladines
rue des cinq diamants, la butte aux cailles
75013 Paris
0033145807010

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