Liebe einen Wien-Besuch planende Brüder und Schwestern im Geiste, bitte, bitte tut euch einen Gefallen und legt die Tage, die ihr in Wien verbringen wollt, so, dass ein Samstag dabei ist. Den das „Dritte Mann Museum“ in der Preßgasse um die Ecke vom Naschmarkt ist nur samstags von 14 bis 18 Uhr geöffnet, und ich verspreche euch, ihr werdet so lange Akrobatik trainieren, bis ihr euch selber in den Hintern treten könnt, wenn ihr dieses Museum verpasst.
Nein, nicht abwinken, „Der dritte Mann„, uralter Schinken, hundertmal gesehen, Zither-Geschrammel, lass mich in Ruh! Wer dieses Museum noch nicht kennt, hat den Film noch nie gesehen. Oder, anders rum: Wer in diesem Museum war, wird den Film anschließend nochmal zum ersten Mal sehen.
Herrschaftszeiten, was für ein Laden! Über mehrere Räume entlang der Pressgasse verteilt gibt’s nicht nur faszinierende Exponate rund um Sir Carol Reeds Film-Klassiker (Original-Drehbücher! Kostüme! Eine Apparatur, die einem sageundschreibe vierhundert Coverversionen des „Third Man Theme“ vorspielt!), viele Räume sind dem Wien der Nachkriegszeit gewidmet und dokumentieren mit Zeitungen, Plakaten, Care-Paketen usw. die damaligen Lebensumstände. Eine Filmkulisse erwacht zum Leben, man beginnt plötzlich zu begreifen, wie Drehbuch und Drehort in den Köpfen der Filmemacher verschmolzen und dieses Meisterwerk ermöglichten.
Natürlich kann man sich auch ein paar Schnipsel des Films ansehen, stilecht auf einem 35mm-Projektor, den der Museumsgründer, Herr Strassgschwandtner, in Eigenarbeit renoviert hat. Überhaupt, der Herr Strassgschwandtner! Ich würde ja dringend empfehlen, beim Museumsbesuch den Herrn Strassgschwandtner anzusprechen, aber das ist leider ein Ding der Unmöglichkeit. Denn beim Ansprechen wird einem der Herr Strassgschwandtner immer zuvorkommen. Er ist überall, führt die Museumsbesucher von einem Raum zum andern, startet Projektoren, kurbelt Leinwände rauf und runter und erzählt und erzählt… über den Film, über das Museum, über andere Film-Museen und -Sammlungen weltweit. Herrschaftszeiten, in dem Mann lodert die Fackel des Kinos, der Mann ist mit einer Leidenschaft dabei, die heutzutage absolut selten geworden ist.
Zwei Stunden sind das absolute Minimum, das man für den Besuch dieses Museums einplanen sollte, eher mehr, denn an jeder Museumsecke lauert ein weiteres Kleinoder das bestaunt und gewürdigt werden will, wie z. B. die nebenstehende Ankündigung für einen Auftritt von Filmkomponist Anton Karas (dessen Zither selbstverständlich ebenfalls zu sehen ist) im Wienerwald-Restaurant in Leverkusen. wer sich darüber wundert: Karas war mit Wienerwald-Gründer Jahn befreundet, und der hat seinen musizierenden Freund gern zu derartigen „Konzerten“ abkommandiert, um den Umsatz anzukurbeln, wenn irgendwo der Hendl-Umsatz lahmte. Das hat mir übrigens – wen wundert’s – Herr Strassgschwandtner erzählt.
Nein, ich korrigiere mich, zwei Stunden sind deutlich zu wenig für dieses museale Kleinod, man muss ja noch in den Shop, nachdem man widerstrebend die Museumsräume verlassen hat. Spätestens im Shop lernt man damm Frau Höfler kennen, die dieses Museumsprojekt mit der gleichen Leidenschaft und Herzlichkeit wie Herr Strassgschwandtner betreibt. Und wenn man ein wenig mit Frau Höfler geplaudert hat, dann kauft man – und da gibt’s kein Vertun – alle verfügbaren Museumskataloge UND die Doppel-DVD-Ausgabe vom „Dritten Mann“. Da ist die Doku mit drauf, und überhaupt ist das die beste Ausgabe. Sagen Herr Strassgschwandtner und Frau Höfler. Und die wissen’s wirklich,.
Dritte Mann Museum
Pressgasse 25
1040 Wien
Tel. +43-1-5864872
geöffnet jeden Samstag von 14 bis 18 Uhr, Exklusiv-Führungen auf Anfrage