Ästhetisch geschulte Menschen halten unwillkürlich den Atem an, wenn sie das Masopusts betreten. Wenn sie die grün gestrichenen Tische und Stühle sehen, die hölzernen Bögen, um die sich das Plastik-Weinlaub rankt, dann murmeln sie glasigen Blicks „Das darf doch nicht wahr sein…“, denn sie denken, dass ein hausgroßer Teilchenbeschleuniger sie durch ein Dimensionsloch in die Deko eines Hans-Moser-Films geschleudert hat. Doch bevor unsere Ästheten Fluchtgeschwindigkeit aufnehmen können, hat sie der Inhaber des Lokals, Herr Masopust, bereits freundlich begrüßt, ihnen einen Platz angeboten, die Speisekarte in die Hand gedrückt und begonnen, sie mit einem endlosen Strom von Kalauern zündenden Wortwitzen und orig. Wiener Schmäh einzudecken, so dass sich ein gewisses Gefühl der Wehrlosigkeit eingestellt hat.
„Auf einen schnellen Veltliner können wir ja bleiben“, denken die Ästheten und nehmen die Karte zur Hand. „Schneller Veltliner“… Ha! Sie können sich auf einen langen Abend gefasst machen. Denn die Karte hat es – wie das ganze Lokal – in sich.
Wer sich für deftige österreichische Küche interessiert, kann sich hier einen enzyklopädischen Überblick verschaffen. Das Star-Gericht des Hauses ist der sogenannte „Bröselteppich“ ein auf allen Seiten über den Tellerrand hinaus hängendes, köstliches Schnitzel Wiener Art, mit einem schön schlotzigen Kartoffelsalat serviert, der mir persönlich einen Tick zu süßlich abgeschmeckt ist, jedoch den vollen Beifall der geduldigsten Gemahlin von allen findet.
Meine uneingeschränkte Zustimmung hingegen findet das Blunzengeröstel, eine Art mit Blutwurst aufgebohrtes Bauernfrühstück, über das reichlich frischer Kren (Meerrettich) gehobelt wird. Unbedingt probiert werden muss auch das „Knödelpotpourri“, drei verschiedene Sorten Knödel auf sanftem, weichem Sauerkraut serviert, eine ganz wunderbare Sache, nach derem Genuss man allerdings versteht, warum Herr Masopust öfters am Tisch vorbeikommt, um seine „Schnapserl“ anzupreisen: Angesichts von Portionsgröße und Üppigkeit der meisten Gerichte sind diese Verdauungshilfen geradezu überlebensnotwendig.
Denn wir sind mit dem Essen ja noch nicht fertig: Nachtisch! Mehlspeisen! Wunderbarer Kaiserschmarren! Marillenknödel, Palatschinken und, und, und… da kann man doch nicht nein sagen, wenn auch scheinbar gar nichts mehr hineinpasst.
Mittlerweile sind die Ästheten beim zweiten oder dritten Veltliner angekommen, man beginnt, sich mit dem Ambiente zu versöhnen, studiert noch einmal die Karte und beschließen, vielleicht noch etwas aus der kalten Küche zu probieren, so ein Häppchen zum Wein… weiser Entschluss. Allerdings sind die belegten Brote (das Knofi-Brot, ein Hammer!), die Extrawurst, die Brettljause ebenfalls äußerst großzügig portioniert, da ist das nächste Schnapserl fällig.
Mittlerweile hat die Magie dieses Ortes auch die Ästheten gepackt, sie sehnen den nächsten aufgeräumten Scherz Herrn Masopusts geradezu herbei, ordern noch einen Wein, und erkennen plötzlich, dass das ganze Lokal einen geradezu rigiden Stilwillen (form follows function) ausstrahlt. Verwundert müssen sie feststellen, dass sie sich ausgerechnet hier ganz besonders wohlfühlen.
„Wie kann das sein?“ fragen sie sich, während sie zahlen und noch ein Schnapserl aufs Haus bekommen, aber eine Antwort auf ihre Frage bekommen sie nicht. So bleibt ihnen nichts anderes übrig, als baldmöglichst wiederzukommen, um diesem Problem auf den Grund zu gehen.
Schivelbeiner Str. 27
Berlin
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Gott, ich glaube ich brauche nur vom Lesen bereits ein „Schnapserl“.
Chris, Du machst es einem auch nicht leicht.
Ich tue mein möglichstes…
Ich komme mit Ausprobieren nicht mehr hinterher! Pause bitte.
stimmt, maso/pusts ist ein richtiges beisl. will man in die nostalgie alter filme eintauchen, nach dem dritten viertl [und dem dritten schnapserl] jodelt dir der moser ins gebälg..